Kurzgeschichten > Alltag |
 |
|
Im Treppenhaus
von Georg Ettlin >>
Man wohnt im Haus mit den Geräuschen, man hat
sich arrangiert. Wenn ich einen blechernen Pfannendeckel
in der Küche aus der Hand verliere, dann ist mir voll bewusst,
dass der Vorgang des Aufprallens des Pfannendeckels auf dem Steinboden der Küche alle Menschen im Haus vollakustisch mitkriegen: Nach dem ersten " Ping!" macht der Deckel durch eine rhythmische Verlagerung seines Gewichtes noch eine längere Zeit ein "Waullwaul- wuwaueruwuwuwuwu !", das dann mit einem entschlossenem "Klack !" endet.
Ich warte dann auf ein wütendes Klopfen des Nachbarn unter mir und wenn das fehlt, habe ich ein schlechtes Gewissen,
denn mein Missgeschick ist somit nicht gerächt, bleibt
in dem Haus hängen und ich denke, man hat mir meinen Lärm nicht verziehen.
Eine bleiche Nachbarin steht tagsüber bis in die Nacht hinein mit geschlossenen Augen auf der dunklen Treppe und bei meinem täglichen, schüchternen Vorbeigehen mit Wein und Nahrungsmitteln, muss ich immer einen kleinen Bogen um sie herum machen, damit sie nicht plötzlich die Augen öffnet und mich anschreit.
Als ich den alten, kranken Nachbarn unter mir fragte,
warum die Nachbarin immer die Augen zu hat, sagte er mir,
dass sie die geschlossenen Wimpern und Augenlieder nur auf die bleiche Wange gemalt hat, mit Tusche oder so
und dass sie in Wirklichkeit mich mit weit aufgerissenen
wasserhellen Augen anstarrt. Nun gut, ich muss halt jetzt aufpassen,dass ich, wenn ich meine Wohnung verlasse,
den Hemdkragen anständig schliesse und den Reissverschluss im Schritt nicht
vergesse zuzumachen.
..Vielleicht sollte ich in Zukunft
im Treppenhaus eine Krawatte tragen ?
***
c/G.E.
14. Oktober 2014 |
 |
|
Seite
1 von 1 |
|
 |
Kommentare (0) |
|