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Das Finanzkrisensyndrom
von Michael Ruhnke >>
Interessiert lese ich die Schlagzeile: Pakistan vor dem Finanzkollaps!
Mein Herz beginnt zu rasen und pumpt plötzlich Unmengen Adrenalin durch meinen Körper.
„Die armen Menschen!“, denke ich und rufe meinen Broker an.
„Kaufen!“, schreie, ja belle ich hysterisch ins Telefon, „Kaufen! Was kostet der Staat?“
Zaghaft erwidert er, der Staat sei pleite und nicht zu empfehlen.
Doch ich höre nicht hin und schmettere ihm „50€! Sofort kaufen!“ ins Ohr. Empört über seine Empfehlung knalle ich den Telefonhörer hin.
War das nicht die Chance, auf die ich mein ganzes Leben als Geringverdiener gewartet hatte?
Pakistan besitzt Atomwaffen! Kaufe ich den Staat, kaufe ich diese Dinger!
China und Saudi- Arabien lehnen Hilfe ab, IWF prüft noch! Das will aber nichts heißen. Da musste ich ran!
Island?
Ja, die sind auch pleite, liegt auch schon in meinem Staatsportfolio – für 25€!
Jetzt habe ich zu tun, dass der Urlaub auf Island nicht zu Spottpreisen verkauft wird! Schließlich will ich verdienen!
Ukraine? Russland?
Ja, bitte! Als Optimist habe ich die auch gekauft – für je 10€! Die besitzen Erdgas und Erdöl!
Ein guter Ansatz, mir die Europäer gefügig zu machen!
Und plötzlich stehe ich mittendrin: im Sumpf internationaler Politik und Netzwerkgeflechte!
Schwelgte ich gerade eben noch in meinem übermäßigen Reichtum, meiner unendlichen Macht, lese ich entsetzt, dass Sarkozy doch tatsächlich einen Schutzwall aus Staatsfonds errichten lassen will!
Hilfe! Vielleicht sogar noch an der Maginot- Linie! Mit meinem Geld als europäischer Steuerzahler!
Erinnerungen aus dem nicht erlebten Ersten Weltkrieg werden wach. Ich fühle mich plötzlich bedroht!
Aber da ist Pakistan mit seinen Atomwaffen und ich habe dieses Land gekauft – ha!
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