| Kurzgeschichten > Humor |
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Ein erstes Kratzen. Das Papier zuckt, überrascht, dann willig. Das Papier stöhnt. Es räkelt sich unter der Spitze, nimmt die Tinte auf, als hätte es nie etwas anderes gewollt. Die Jungfräulichkeit ist dahin, besudelt, und das Papier geniesst das schamlos. Buchstaben formen sich, ausladende Rundungen, zackige Striche, laaaange Unterzone…
Die Feder weiss, was sie tut. Sie ist kein neutrales Werkzeug. Sie verführt, drängt, führt, überzeugt davon, dass das Papier genau dafür gemacht sei, rücksichtslos beschrieben zu werden. Ich lasse sie gewähren.
Die Feder denkt sich: Du wolltest es doch, dass ich dich betinte, dann nimm. Dann geschieht es zu schnell. Ein Ruck. Ein unkontrollierter Druck. Ein vorzeitiger Tintenerguss. [Pause].
Ein dunkler Fleck breitet sich aus, unübersehbar, peinlich. Die Feder kratzt noch einmal leer, dann nichts mehr. Keine Tinte. Schluss.
Das Papier liegt da, befleckt, ausser Atem. War das schon alles? denkt es, enttäuscht und zufrieden zugleich.
Ich lehne mich zurück. Wer hat noch Angst vor einem weissen Papier? Und schreibe mit einem sehr harten Bleistift weiter. Der Gummi liegt parat….
(c) Marc P Sahli 2025
16. Dezember 2025 |
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