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Das Knistern der Motte im Radio
von Georg Ettlin >>
Als der kleine Hans im Jahre 1953 das grosse Radio des Vaters
umdrehte, sah er durch die runden, regelmässig ausgestanzten Löcher des Abdeckblattes aus präpariertem,
gepresstem, schwarzem Karton die Radioröhren wie Lampen
leuchten, halb silbrig abgedeckte Lampen waren zu sehen,
warm leuchtende Lämpchen der Senderanzeigen hinter bunten Drähten und den verlöteten Verbindungen.
Es gab da im Gerät so wie in einem Haus zwei Stockwerke, eine trockene, warme Atmosphäre war dort im Radio,aus denen klare Stimmen kamen: Intelligente hochdeutsche Worte, die Hans
sonst nur in deutschen Büchern las. Gesänge gab es dort aus aller Welt, Rhythmen aus Amerika und Afrika, Klassik von Beethoven und Vaya, Bach und Rachmaninow.
Hans stellte sich vor, er sei so klein wie eine Kakerlake und
könnte sich ewig im Radio verstecken, wenn der
Vater nach Hause kam. Denn dort war seine heile Welt, die Welt von Hans:
Eine Welt voll Wissen und Musik, eine Welt voll Forscherdrang und gutem Willen, Vorträgen, Vernunft und leise hinterfragten Religionen, weisen Märchen und lieben Liebesgeschichten...
Mutter hatte immer Depressionen und weinte, wollte sich mit dem Hänslein vom Balkon stürzen und Hänslein wusste nicht
warum :
Hans wusste auch nie, warum der Vater immer so wütend war:
Als der Vater eines Abends nach Hause kam, schlug er den Hans tot.
Hans war der jüngste von drei (!) Kindern und das war damals in der Schweiz oft einfach zu teuer und zuviel.
Seit dieser Zeit gab es immer ein Knistern und Rascheln im Radio:
...Man dachte, dort habe sich wohl eine Kakerlake oder Motte verfangen.
***
c/G.E.
27. Oktober 2014 |
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