Kurzgeschichten > Liebe |
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Sie würde Irene besuchen, war ja nicht weit, sie wohnte unten im Haus. Meistens hielt sie sich abends beim Proff auf, denn die Operation vor ein paar Wochen hatte ihm ganz schön zugesetzt. Irene machte ihm ein bisschen den Haushalt und brachte ihm Essen vorbei. Ach, der Proff war nett! Sie mochte ihn total. Und er mochte sie auch, weil sie ihm so natürlich und spontan erschien. „Du erinnerst mich an meine Frau“, hatte er zu ihr gesagt. Diese geheimnisvolle Frau, von der Chris nicht viel wusste. Aber Irma wollte von deren Vater-Sohn-Problemen im Moment gar nichts wissen, jetzt ging es um etwas ganz anderes. Es ging um Leben und Tod. Schrecklich war das. Wieder verspürte sie dieses furchtbare Gefühl im ganzen Körper, und sie stöhnte auf.
Also Irene besuchen, die würde bestimmt klarer sehen. Irene schien in ihrer Ehe nicht sehr glücklich zu sein. Oder war das immer so in Ehen, dass nach ein paar Jahren die Luft raus war? Nein, das würde sie nicht zulassen. Sie hatte sich vorgenommen, Chris teils zu verwöhnen, teils in Atem zu halten, hatte sich vorgenommen, ihr eigenes Leben zu leben, und er sollte das auch tun, Männer und Frauen hatten eben unterschiedliche Interessen. Oh Himmel, wieder stöhnte Irma auf, tolle Vorsätze hatte sie da gehabt, alles hatte sie steuern wollen, das Glück, die Liebe, das Zusammensein...
Aber dieses Kind würde alles durcheinander bringen. Sie wäre von Chris abhängig, sie würden aufeinander glucken samt Kindergeschrei in der Nacht und auch am Tage. Die Nerven würden manchmal bloß liegen – und mit der Liebe wäre es dann bald vorbei. Konnte sie Chris diesen ganzen Mist antun? Und seine Freunde würden denken, dass sie es darauf angelegt hätte, nein, nein, das ging nicht, er hatte ihr vertraut, |
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