writtenby.ch - Freies Texte Portal

Startseite

Texte
Kurzgeschichten
Lyrik
Romane
Experimentelles

Suchen
Texte
Autoren

Autorenbereich
Publizieren
Registrieren
Regeln

Writtenby
Datenschutz
Gönner werden
Impressum & Kontakt
 
Kurzgeschichten > Menschen

Die Warzenfrau von Künzelsau

von Dieter Raedel >>

Es ist schon in die Jahre gekommen, das Warzenmütterchen. Keiner weiß eigentlich genau, wie alt sie ist. Man munkelt, sie käme vom Malerviertel Taläcker, wo sich Kandinsky, van Gogh, Chagall, Rembrandt und unsere Berliner Käthe Kollwitz die Hände reichen. Fast jede Straße ist nach einem Maler benannt. Irgendwann sei sie mit der Bergbahn ins Tal gerutscht und sei dort hängen geblieben.

Eines schönen Tages bekam sie am rechten Knie eine Warze, die sich bis zur Größe einer Wallnuss entwickelte. Ihr Hornexemplar nannte sie auch Nusswarze, obwohl es sich um eine Dornwarze handelte. Schulmediziner suchte sie nicht auf. Als sie sich keinen Rat mehr wusste, wie sie ihre immer größer werdende Kniewarze wegkriegen sollte, setzte sie sich an den Kocher, einem Fluss, der zum Neckar will, und dachte über ihr Schicksal nach. Es plätscherte und aus dem Fluss hörte sie eine kindliche Stimme:
"Sprich dein Knie an ! Sprich dein Knie an !", wonach der kleine Fisch verschwand.

Lange Zeit wusste sie damit nichts anzufangen und überlegte, ob das Gehirn ihr einen Streich spielte. Eines Abends saß sie auf ihrem Bett und betrachtete ausgiebig ihren Hornberg. Und da hörte sie in Gedanken wieder die Stimme: "Sprich dein Knie an !" Da ihr Mann schon mehrere Jahre nicht mehr unter den Lebenden weilte, begann sie auf die Warze einzusprechen und zwar so, als ob es ihr seliger Mann wäre. Sie vermeinte Widersprüche zu ihrer Denkungsart zu hören und die konnte sie nicht ausstehn. So rief sie ganz laut: "Hau doch endlich ab, ich will meinen Frieden ! Hinweg mit dir und lass' dich niemals wieder sehn !" Danach legte sie sich zur Ruhe.
Seite von 3
Kommentare (0)