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Kurzgeschichten > Menschen
Inge langte nach ihrem kleinen Spiegel in ihrer Handtasche und sah hinein. Das war eines ihrer typischen Rituale, immer, wenn sie einen Mitarbeiter feuern wollte, um es im Gedanken durchzuspielen und ihre Mimik zu studieren, welchen Blick sie dabei annehmen sollte, um möglichst furchteinflößend zu wirken. Diesmal hatte sie es auf eine junge Mitarbeiterin abgesehen, die ihr schon seit längerem ein Dorn im Auge war. Eine hochgewachsene Amazone mit langen Beinen, ihr dunkles Haar lächerlich um ihr Engelsgesicht drapiert. Ja, sie verachtete solche Frauen, die glaubten, durch ihre äußere Erscheinung Karriere machen zu können. Aber nicht bei ihr! Nicht bei Über-Inge, wie sie sich selbst zu nennen pflegte. Als die, die über den Dingen stand. Aber stand sie tatsächlich über den Dingen? Zumindest stand sie über ihren Mitarbeitern. Oder besser gesagt, sie thronte über ihnen. Ja, das war der richtige Ausdruck dafür. Schließlich war sie mit ihren fast 70 Jahren zur Über-Inge, zur Präsidentin, aufgestiegen. Dämonisch lächelte sie in den Spiegel, sofern man das Verziehen ihrer wulstigen Lippen als Lächeln bezeichnen konnte. Inge war nie besonders attraktiv gewesen. Sie war von jeher klein und bummelig und mit dem Alter brachte sie immer noch ein paar Kilos mehr auf die Waage. Nein, sie war keine dieser Frauen, die durch ihren Sexappeal ihre Karriere forcieren konnte, aber Über-Inge hatte da sowieso ihre eigene Philosophie. Rufmord, Verleumdung, Intrigen, das waren ihre Methoden, die, wie man unschwer erkennen konnte, doch schließlich zum Erfolg führten. Dafür mußte sie zwar einiges an Sympathie einbüßen, aber das war es ihr Wert. Sie liebte es, ihre Mitmenschen vor den Kopf zu stoßen.
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