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Lyrik > Alltag

Ich streichle deine Hand

von Anita Namer >>


Mama,
ich weiß nicht, wie oft ich sie noch streicheln kann.
Heute, jetzt, ist sie schön warm…

Sie ist schmal geworden, die Finger nicht mehr so beweglich…
Ich massiere sie mit ein wenig Öl,
streichle dich…

Eines der wenigen Dinge, die ich noch tun kann.
So vieles liegt nicht in meinen Händen
und auch nicht mehr in deinen.

Ich würde dir gerne so vieles leichter machen,
dich ein Stückchen tragen,
dich zum Lächeln bringen,
dich noch öfter streicheln.

Streicheln…
Wenn ich so nachdenke, ist es jetzt möglich…
Noch vor einem halben Jahr, hättest du dich glaube ich gar nicht streicheln lassen.
Oder doch?
Ich weiß nicht…. Hab ich`s je versucht?
Seltsam….
Wir haben so vieles einfach nicht getan…
Warum?

Es ist schön, dich zu streicheln,
dir ein wenig Zärtlichkeit zu schenken…
Ich kann dir so,
ein wenig deiner Liebe spüren lassen.
Du hast sie uns geschenkt,
auch wenn wir sie oft nicht gespürt haben…
Sie war anders…
Sie war ein leckeres Essen,
oder sauber gewaschene Wäsche,
sie war auch manchmal schimpfen,
oder irgendeine Strafe.
Sie war da, ist da,
das spüre ich gerade jetzt – so intensiv.
Ich spüre sie so sehr,
wenn ich in deine Augen blicke,
wenn wir ohne Worte
miteinander reden,
uns spüren,
uns so unendlich nahe sind…
Du bist so „weich“ geworden
und mit dir ich…

Ich hoffe,
gerade jetzt
spürst auch du meine Liebe.

© A. Namer

30. Dezember 2020
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