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Kommissar Taubmann und das Frühstücksei
von Silvia Ittensohn >>
Ein surrealer Kriminalfall in 3 Minuten
Es ist 07:38 Uhr. Kommissar Taubmann betritt die Küche.
Die Sonne fällt wie der Scheinwerfer bei einem Verhör durch halboffene Jalousien. Es herrscht Stille. Totenstille, wie im Leichenschauhaus.
Dann – wie an Feiertagen, wenn das Glockenläuten katastrophisch die Ruhe sprengt – bricht etwas in die Stille ein. Nicht laut wie ein Donnerschlag, sondern eindringlich wie das Wummern im Epizentrum eines Rammstein-Konzerts. Laut. Verdammt laut.
Bei Rammstein soll es über 110 Dezibel gehen. In Berlin wackelten bei einem Konzert sogar die Häuser – ein Erdbeben der Stärke 1,4 wurde registriert. So stand es jedenfalls in Taubmanns Tageszeitung.
Doch hier in seiner Küche ist es nur ein leises tik, tak, tik, tak.
Aber es kriecht in sein Gehirn, direkt in den Hinterkopf.
Die Eieruhr tickt.
Taubmann setzt sich an den hölzernen Küchentisch – nein, er pirscht sich heran, als sei der Stuhl ein Tatort. Er lässt sich nieder, als lägen Reißnägel auf dem Sitzpolster.
Zwei Scheiben Toast, exakt golden gebräunt.
Butterröllchen, langsam darüber schmelzend wie eine Diva auf dem Sofa eines Malers.
Ein Salzstreuer in Form einer Mohnkapsel mit exakt sieben Löchern.
Und in der Mitte: das Ei.
Tak, tak, tak.
Drei Minuten. Weiße Schale, keine Risse. Noch warm. Noch weich. Noch … ganz.
„So fängt es oft an“, denkt Taubmann. „Mit einem harmlosen Frühstück.“
Sein rechter Arm greift zum Ei.
Der Löffel fühlt sich heute schwerer an. Metallisch. Kalt. Endgültig.
Er hat viele Dinge mit einem Löffel beendet: Suppen. Verhöre. Beziehungen.
Nun also – das Ei.
Weiß wie ein Alibi.
Schweigend.
Wie damals, vor sieben Jahren, beim Fall Meier.
Ja, der Fall Meier. |
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