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Halloween im Zug
von Marc P Sahli >>
Es ist Halloween, kurz vor Mitternacht. Ich steige in Bern in den späten, wohl vorletzten Zug, in Richtung Speckgürtelgemeinden, müde nach einem langen Tag. Vier Uhr dreissig aufgestanden. Zehn Stunden gearbeitet. Anschliessend noch ein Auftritt auf der Slam-Bühne. Der Kopf rauscht leise, die Ohren fühlen sich an wie nach einem lauten Konzert. Die Augen brennen.
Der Zug ist voll, die Gänge eng, die Luft abgestanden von zu vielen Atemzügen und zu wenig Sauerstoff. Nur in einem Abteil hat es noch Platz. Ich setze mich – und erfahre sofort, warum...
Eine Gruppe junger Burschen, keine zwanzig, stockbesoffen. Sie werfen mit Bierdosen um sich, es spritzt über den Boden, ein Junge lässt die Buddel Wodka fallen, ein dumpfer Aufschlag auf dem Teppichboden, biergetränkt. Doch: einer liegt da, reglos, zwischen den Sitzen, aus der Nase blutend. Die anderen schreien gestikulierend durcheinander. Warum hast du das gemacht? Es gab doch keinen Grund, den anderen zu schlagen! Ihre Stimmen sind aggressiv, voller Angst zugleich. Lebt er überhaupt noch? Tamisiech…aber er…doch angefangen, tami.
Ich schaue weg, hinaus ins Dunkel, wo sich das Glas spiegelt. Meine Augen klammern sich an einen schwarzen Fleck im Nachtfenster, mein Rettungsanker. Draussen fliegen orange Lichter vorbei, drinnen stinkt es nach Bier und Wodka.
Ich hasse Bier. Es klebt, und riecht nach verlebter Nacht. Ich sitze still da, will unsichtbar werden, was meiner Körperfülle geschuldet kaum möglich ist. Ich hoffe, dass mich niemand anspricht.
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