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Kurzgeschichten > Alltag

Mühle im "Wiener Café" im Prenzlauer Berg

von Dieter Raedel >>

Es war in den 80 er Jahren, als sich allabendlich ein Teil der Szene des Prenzlauer Berges im "Wiener Café" in der Schönhauser Allee traf. Ein buntes Völkchen von Intellektuellen, Künstlern, Schriftstellern, Malern und weiß der Geier wer noch. Gute Laune pur und Witzeleien non stop und der Laden war stets brechend voll. Vorn links die Theke, in der Mitte rechts ein schwarzer Stutzflügel, danach ging`s ein paar Stufen hoch mit einem baufälligen Geländer und oben wiederum Stühle und Tische. Unten war das Café mit Spiegeln ausgestattet. Als Dauergast, wenn ich nicht gerade mit meinem Kinderprogramm irgendwo in der DDR rumschwirrte, erhielt ich das Recht, bei überfüllter Kneipe an der Theke stehen zu dürfen. Das hatte Oleg mir aus Sympathie und einer guten Laune heraus zugestanden. Meist traf man sich schon am Nachmittag. Eigentlich war es ein Quatsch - und Saufladen wie jeder andere auch. Früher spielte noch ein Altherren-Duo zur Unterhaltung: "Duo Winter - Weide" als Café-Musik-Band.

An jenem Tag ging's bereits nachmittags los. Gleich gegenüber dem Klavier saß bei einem Glas Rotwein ein damaliges Original vom Berg: Kurt Mühle.
Sein Vorname spielte eigentlich nie eine Rolle, es war der ewig durstige Mühle. Er saß rauchend am Tisch und zeichnete, wobei beim Trinken meist ein paar Rotweintropfen auf's Papier tröpfelten, und die abfallende Asche landete gewöhnlich ebenfalls auf der Zeichnung. Ein "echter Mühle" wurde mit 10 bis 300 Ostmark gehandelt, es richtete sich nach dem Interessenten und Mühles nicht enden wollender Finanzknappheit. Ohne Ascheflecken und Rotweinspuren war die Zeichnung nur halb soviel wert. Es war das Zertifikat.

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