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Das Gespräch machte deutlich: Die zierlich-zähe 98-Jährige war allein ins Spital gekommen. Vermutlich mit dem Bus, der alle zwanzig Minuten vom Tal auf den Hügel fährt. Vielleicht hatte sie dort die junge Frau und deren Grossvater getroffen. Daraus entstand dieser Dreiklang – die Entschlossene, der Abwesende, die Graziöse.
Die Empfangsdame fragte weiter: „Hat Sie niemand begleitet? Sie sind doch mit Ihrem Sohn gestürzt?“ „Ja“, antwortete sie. „Ich wollte ihm im Bad aufhelfen. Dabei bin ich selbst gefallen.“ „Und wo ist Ihr Sohn jetzt?“ „Ach, dem geht’s wieder gut. Der ist im Urlaub. Auf seinem Schiff. Der soll das ruhig genießen. Ich kann für mich selbst sorgen.“ Kurz darauf wandte sie sich dem alten Mann zu, der mit leicht schiefer Haltung auf dem Stuhl saß – fast so alt wie sie, doch von anderer Verfassung. In sich versunken, geistig abwesend. Sie beugte sich zu ihm, legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. Eine Geste – sanft, fast beiläufig. Doch voller Wärme.
Und als der Tag im Notfall sich zu neigen schien, das Sirren von Helikoptern über dem Dach, das häufige "Dü, da, dü" sich zurückgezogen hatte, verschwammen die Silhouetten dieser Begegnungen wie nach einem Zusammenkneifen der Augen oder einem Zwinkern. Derart verwandelten sich die Menschen in Tiere – nicht, um sich zu verstecken, sondern um zu zeigen, wer sie innerlich waren.
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