Kurzgeschichten > Alltag |
 |
|
Traum - zwischen Erinnern und Vergessen
von Silvia Ittensohn >>
Traumschnipsel. Erinnerungen, die sich drehen, winden, herumkreisen, bis sie ein Sog erfasst. Wo beginnen sie, wo enden sie? Darüber schiebt sich ein Bild. Die Erinnerungen kreisen und kreiseln wie Wasser im Becken – langsam erst, dann schneller. Ein dünner Strudel zieht sie magisch zum Abgrund hin. Erst nur ein leises, kaum hörbares Drehen. Dann das Gluckern, das Blubbern – ein kehliges Schlürfen, als ob der Abfluss selbst trinkt. Mit jeder Umdrehung formt sich das Wasser mehr zum Wirbel. Ihre glatte Fläche wird zur Spirale. Kreiselnd. Wankend. Strudelnd.
Je tiefer und kräftiger es gezogen wird, desto lauter wird ihr Schlucken, Mahlen, ihr röhrendes Atmen beim Abfluss. Bis es in einem letzten, schweren Blupp endet. Ein dumpfer Laut. Dann: Stille. Nur der nasse, glänzende Rand – eine Spur des Verschwindens.
So arbeiten auch die Erinnerungen. Was eben noch greifbar war, wird fortgezogen, verschluckt von einem schwarzen Schlund. Ebenso das Vergessen. Es bewegt sich in derselben Spirale. Was festzuhalten schien, löst sich ab – ein Bild, ein Geräusch, ein Gesicht – verwirbelt, fortgerissen, schließlich verloren.
Und doch: Das Vergessen geistert herum. „Gespenstisch erscheint dem heutigen Ich jenes Dagewesene, mit dem man sich kaum mehr zu identifizieren vermag.“ Die bloße Tatsache, dass es in der Erinnerung noch da sei, erzwinge dessen Anerkennung – „als entfremdeter Doppelgänger“, schreibt Heinz Dieter Kittsteiner in Vom Nutzen des Vergessens.
|
 |
|
Seite
von 3 |
|
 |
Kommentare (0) |
|