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die Freude
von Caro >>
Es ist Freitagmittag. Du machst deinen Kleiderschrank auf, um deinen guten Anzug herauszuholen. Du ziehst ihn an und bindest dir deine schwarze Krawatte um. Auch deine Frau kleidet sich in schwarz, die Kinder bleiben zu Hause. Heute wird ein entfernter Verwandter von dir beerdigt, der Cousin deines Vaters. Es ist keine große Sache für dich, du kanntest ihn kaum und gehst nur zu seiner Beerdigung, weil du eingeladen wurdest und du es als Akt der Höflichkeit ansiehst. Du steigst mit deiner Frau in den Wagen und fährst los. Als du wieder aussteigst, fröstelst du. Der Winter naht und es weht schon ein kalter Wind.
Die alte Kirche ist voll mit Menschen. Du ahnst, dass ihn wohl einige nicht gut kannten, genauso wie du. Viele kommen, weil sie sich verpflichtet fühlen, vielleicht auch einfach, weil sie nichts anderes vorhatten oder weil sie alte Bekannte wieder treffen wollen.
Der Trauergottesdienst beginnt mit einer traurigen Orgelmelodie. Die Frau des Verstorbenen fängt schon an zu weinen, ihre Tochter legt einen Arm um sie. Diejenigen, die ihn gut kannten, erzählen aus seinem Leben, von seinem Wirken in der Gemeinde und seiner Liebe zu Jesus. Alle erzählen mit trauriger Stimme, alle scheint der Verlust dieses Menschen schwer zu belasten. Du ertappst dich bei dem Gedanken, ob du wohl traurig genug aussiehst, schließlich soll ja keiner denken, dieser Mensch sei dir nicht wichtig gewesen. Ein Kind kichert leise, vermutlich hat es Spaß mit seiner Schwester, die daneben auch ein Lachen unterdrücken muss. Das Kind wird vom Vater sofort streng zurechtgewiesen, schließlich ist es eine Trauerfeier und kein Kindergeburtstag. |
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