Kurzgeschichten > Gesellschaftskritisches |
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Du nimmst noch den entschuldigenden Blick des Vaters zu der alten Frau hinter ihm wahr, als plötzlich die Tür aufgeht und ein Mann reinkommt, der von Kopf bis Fuß vermummt ist. Er rennt nach vorne und steht auf einmal auf der Bühne. „Ihr Egoisten! Und ihr wollt Christen sein?“ Als der Schock überwunden ist, fragst du dich sofort was dieser Mann wohl gemeint hat. Egoisten? Deine Gedanken kreisen und du kommst zu dem Schluss, dass dieser Mann wohl verrückt sein muss. Hier wird eine Beerdigung gefeiert, es wird von einem Menschen Abschied genommen und dieser Fremde hat es bestimmt nur darauf angelegt, die Feier zu stören. Du blickst auf, doch der Vermummte ist längst verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt. Der Pfarrer bringt wieder Ruhe in die aufgeregte Gesellschaft und schon bald wird die Trauerfeier fortgesetzt. Als die Menschen aufstehen und einer nach dem anderen nach Vorne gehen, um sich von dem Toten zu verabschieden, stehst auch du auf, rückst noch einmal deine Krawatte gerade, die etwas verrutscht ist und legst den Arm um deine Frau. Das Gesicht des Toten sieht friedlich aus, fast ein wenig glücklich. Du reihst dich mit deiner Frau in den langen Zug ein, der den Toten in seinem Sarg zum Friedhof geleitet. Es geht nur langsam voran, die meisten schauen zu Boden. Auch du scheust dich davor, den Blick eines anderen zu treffen, denn du willst diesen Schmerz nicht sehen. Die Stimmung ist nicht nur gedrückt, die Trauer scheint beinahe greifbar zu sein. „Wie sehr dieser Mann geliebt wurde“, geht es dir durch den Kopf. |
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