Kurzgeschichten > Gesellschaftskritisches |
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Und plötzlich ist der Vermummte wieder da. Etwa fünfzig Meter von dem langen Trauerzug entfernt steht er da und schreit: „Das ist die letzte Ehre, die ihr ihm erweist? Ihm zu zeigen, dass euch seine Gefühle egal sind und ihr nur auf euch selbst schaut? Oder glaubt ihr doch nicht an die Ewigkeit?“ Du kannst die Augen des Fremden nicht sehen, aber alles an seiner Stimme und seiner Körperhaltung drückt Verachtung aus. Die Leute sind empört, aber schon nach kurzer Zeit ist der Fremde, der ebenso plötzlich wieder verschwunden wie aufgetaucht ist, vergessen oder verdrängt und das Leid ist wieder in jeder Miene zu lesen. Doch diesmal kannst du deine Gedanken nicht abschalten und du versuchst zu ergründen, was der Vermummte gemeint hat. ‚Seine Gefühle…’ die beiden Worte wollen nicht mehr aus deinem Kopf heraus. Ja was fühlt eigentlich der Tote? Im nächsten Moment erklärst du dich selber für verrückt, schließlich fühlt ein Toter gar nichts. Oder doch? Der Begriff ‚Ewigkeit’ spukt dir durch den Kopf. Glaubst du daran, dass der Tote bei Gott ist? ‚Ja!’ schreit dein Inneres, das bist du dein ganzes Leben lang gelehrt worden, nach dem Tod geht es weiter. Und wenn ja, wenn der Verstorbene jetzt bei Gott ist, dann ist er wohl glücklich. Hat der Vermummte das gemeint? Wenn der Tote glücklich ist, sollten wir uns dann nicht mit ihm freuen? Du schaust dich um, siehst die traurigen Gesichter und siehst auf einmal den Egoismus, den der Fremde gemeint hat. Diese Menschen haben alle jemanden verloren, der ihnen wichtig war, den sie geliebt haben. Doch wenn dieser Mensch jetzt glücklich ist, müssten wir dann nicht auch… |
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