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Schreibpapier befriedigen (Slamtext)
von Marc P Sahli >>
Mitternacht. Mein Schreibtisch ist aufgeräumt genug, um sich vor Gästen nicht zu schämen oder eine gwundrige Putzfrau anzustacheln. Vor mir l i e g t e s: ein weisses Papier, glatt, absichtsvoll, leer. Mein Blatt vor mir will heute beschrieben werden, das spüre ich. Da gibt es so Vibes… Ich hingegen habe andere Pläne, sadistische: Zerknüllen vielleicht, oder achtlos auf den Zeitungsstapel legen, zwischen Werbefackeln und Migros- resp. Coopzeitung, wo es langsam vergilben wird. Eiskalt entsorgt für die Papiersammlung.
Das Papier spürt das. Es liegt da in seiner blitzblanken Jungfräulichkeit und tut so, als sei das ein Argument, als reiche blosses Leersein aus. Du weisst genau, wozu ich da bin, denkt es, und ich höre das Denken erstaunlich deutlich.
Ich greife zur Füllfeder. Meine Spitze, also der Fülli, schwebt einen Moment zu lang drüber, ich schiebe das Blatt einen Millimeter nach links, bessere Position; nein, vielleicht doch lieber morgen, ich glaube ich kriege Migräne.
Meine Hand verharrt, unschlüssig; die Füllfeder ruhig, lauernd und kampfbereit. Ich könnte jetzt aufstehen, ein Glas Wasser holen, abkühlen und so tun, als wäre nichts gewesen. Vielleicht doch die Migränenvortäuschung? Aber das Papier höre ich sagen: Nimm mich, beschreibe mich. Es spannt sich, es ist topfeben, faltenfrei, schön. Es ist bereit, mehr als bereit. Na los, besudle mich.
Ich will es, denkt es, ungeduldig, fast trotzig. Gib’s mir, schreib mich voll, ich bin dein Sadelblutt, äh Sudelblatt.
Ich lasse mich umstimmen. Natürlich lasse ich mich umstimmen, wenn das Papier ja so unverschämt fordernd daliegt. Es riecht frisch, nach Fabrik und Unschuld. So mag ich es. Die Feder setzt an, zögernd, ja zitternd zuerst, dann mit wachsender Sicherheit. |
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