Kurzgeschichten > Liebe |
 |
|
trägt ihren Verlust nach aussen, sie unterstützt die Männer in der Sippe, dagegen werden alle Frauen in ihrem Umfeld zu Nattern, denen sie – selbst Gift verspritzend - mit Niedertracht begegnet und von denen sie sich ständig übervorteilt und ausgenutzt fühlt. Mit all diesen Hasslieben gelangt sie ins vorgerückte und allmählich ins Greisenalter. Gürtel kann sie keine mehr tragen, Hosenträger auch nicht, denn die gebückte Körperhaltung beim Bügeln hat sie aufgerieben, der Rücken und die Schultern wollen keine Last mehr tragen, und sei sie auch noch so leicht. Nun muss sie ihre Schlüpfer mit Sicherheitsnadeln am Unterhemd befestigen. Prompt verliert sie ihre Wäsche mehrmals in aller Öffentlichkeit und man weiss nicht, ob man über sie lachen oder sie bemitleiden soll. Hilflos ist sie jedenfalls noch lange nicht. Unterstützung braucht und will sie keine. Auch als sie immer mehr in die andere Welt hinüber wächst, den Verstorbenen in ihrem Zimmer zu erblicken meint und mit ihm redet, nach dreissig Witwenjahren immer kleiner und unscheinbarer – und natürlich unzurechnungsfähiger wird – weist sie jegliche Hilfe von sich, keine Putzfrau kann es ihr recht machen, das Rentenamt, die neue Hausbesitzerin, die junge Mieterin von nebenan, alle verbünden sich gegen sie und wollen ihr nichts Gutes. Der Schlaganfall, nochmal dem Tod von der Schippe gesprungen, aber nun doch in ein Pflegeheim eingewiesen. Dort klopft der Tod nur ein paar Wochen nach ihrer Übersiedlung an, und diesmal geht sie bereitwillig mit. Und hofft auf ein Treffen mit ihm.
Sie hat geliebt.
Beneidenswert.
4. Februar 2008 |
 |
zurück |
Seite
von 3 |
|
 |
Kommentare (0) |
|