Kurzgeschichten > Menschen |
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verlief normal. Nichts geschah. Die alte Frau hatte ihre Ruhe. Wenn sie morgen kein Geräusch hören würde, wäre alles wieder wie früher, wie vorher, normal. Vielleicht sogar langweilig, dachte sie. Und plötzlich war sie wieder beunruhigt. Wollte sie etwa solche Geräusche hören, und hat sie nur deswegen gehört? Brauchte ihr monotoner Tagesablauf etwa Spannung? Sie merkte dann aber doch ziemlich schnell, dass ihr lieber war keine Geräusche mehr zu hören und dafür halt wieder das „Leben vor diesen Geräuschen“ einzunehmen. Kurze Zeit später ging sie ins Bett. Diesmal konnte sie auch ohne Schlaftablette einschlafen, wenn auch heute wieder Gedanke für Gedanke in ihr herumschweifte. Nach einer erholsamen Nacht stand sie wieder um ihre gewohnte Uhrzeit auf. Sie putzte sich die Zähne. Danach zog sie sich um und bürstete sich. Zufällig sah sie dabei aus dem Fenster. Und siehe da, zuoberst auf der einen Lerche sass wieder ein Vogel, derselbe wie die Tage zuvor. Da das Fenster bereits geöffnet war, hörte sie wieder wie der Vogel pfiff. Beruhigt machte sie sich ihren Kaffee und hörte Radio. Beinahe eine halbe Stunde lang. Draussen sah sie immer noch den Vogel. Wo der zweite wohl bleiben mag, dachte sich die alte Frau. Sonst waren es doch immer zwei gewesen. Heute war es nur ein einziger Vogel. Als im Radio die stündlichen Nachrichten begannen, war es an der Zeit, die Tageszeitung zu holen. Sie lief die beiden Treppen in das Erdgeschoss hinunter, als ihr plötzlich von draussen die jüngste Tochter der Frau Ruber entgegengerannt kam. Sie hatte ein völlig verweintes Gesicht. „Was ist denn los?“ fragte die alte Frau besorgt. „Da ist ein toter Vogel“, sagte das Mädc hen, nach Luft |
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