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Kurzgeschichten > Menschen

Witwe Brändli

von Marc P Sahli >>

Witwe Brändli freut sich jede Woche auf den Seniorenzmittag im Quartierzentrum. Immer am Freitag um 11:30 versammeln sich etliche Grosis und Grossättis am Mittagstisch der Quartiervolksküche. Frau Brändli schätzt diese Möglichkeit, um aus ihrer Alltagstrottlethargie ausbrechen zu können, seit ihr Werner verstorben ist. Wegen ihrem kranken Mann wurde ihr Radius immer kleiner und erschöpfte sich im Gang zum Denner um die Ecke oder zum Glas-, PET-, und Dosenentsorgungsplatz gleich daneben.
Werner ist nun seit fünf Jahren tot. Ob sie jemals über seinen Tod hinweggekommen ist, weiss sie nicht. Sie weiss nicht viel über Depressionen, nur, dass man sage, dass sie von zufallenden Türen kämen. Türen schliessen sich, Wunden auch. Die Zeit des Danach. Man muss einfach funktionieren. Sich Mühe geben. Doch zweimal im Jahr, am Hochzeitstag und an Wernis Geburtstag rötet sich die Wunde jeweils und schmerzt. Ja, ja, das Gedächtnis der Wunde, ein unerwarteter Schmerz, der sie an die Vergangenheit erinnert. Die Jahrestagsreaktion. Witwe Brändli freut sich auf den Mittagstisch mindestens zwei Tage vorher und richtet sich die Haare, wie auch das blaue Jacketkleid und die beige Bluse, die sie vorsichtig bürstet; und sich natürlich auch, frisch gebadet und gebürstet. Genäht hat sie ihre Bchleidi selbst, ist ja schliesslich ausgebildete Damenschneiderin.
Frida Brändli gönnt sich nichts ausser dem Mittagstisch am Freitag; der Hausarzt und der Pfarrer hatten ihr etliche Zeit nach dem Ableben vom geliebten Werni dazu geraten, unter Leute zu gehen. Auf andere Gedanken kommen. Zudem ist es noch halb gratis. Viel leisten kann sich Frida nicht, da Werner spät im Erwerbsleben in einer Pensionskasse versichert wurde. Mangels eines Gartens holt sich Witwe Brändli ab und zu
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