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Mein Baum
von Lidel >>
Es war ein Tag wie jeder andere. Ich stritt mich wieder einmal mit meinem Freund Chris. Immer dasselbe Spiel. Es kommt mir langsam wie ein endloses Déjà-vu vor. Zuerst schreie ich, weil er wieder mal eine andere geküsst hatte. Dann schreit er, weil er wie immer alles bestreitet. Und zu guter letzt schreit die alte Nachbarin, die unsere Streitereien einfach nicht mehr hören kann. Ein paar Türen knallen, ich beginne zu weinen, er klopft an die Tür und entschuldigt sich bei mir und alles ist wieder im Lot.
So sieht etwa mein Leben aus. Das Leben der Hannah Fischer, 18 Jahre alt, von zu Hause weggelaufen, lebe bei dem Mann, der mich damals fast überfahren hat. Manchmal weiss ich nicht ob es besser gewesen wäre, wenn er nicht mehr auf das Bremspedal gedrückt hätte. Ich rannte aus dem Wald, auf der Flucht vor den gierigen Händen und der Schrotflinte meines Vaters, auf die Strasse. Eine Situation, die in jedem schlechten Horrorfilm zu sehen ist. Ich war spärlich bekleidet und es regnete. In dem Moment als ich nichts mehr zu verlieren hatte, raste ein Auto auf mich zu. Ich sah in die immer grösser werdenden Scheinwerfers der Autos und dachte „Jetzt sei es aus.“ Ich schloss die Augen und wartete, wartete auf mein Schicksal, wartete auf den Tod. Doch er kam nicht, Reifen quietschten, Schüsse fielen, es waren zwei. Sie kamen aus dem Wald, aus dem Gewehr meines Vaters, der versuchte seine Tochter davon abzuhalten, dass sie die Familie verliess, dass die Ihn verliess. Die erste Kugel musste einen Baum getroffen haben, man konnte hören wie Holz zersplitterte, die zweite Kugel allerdings steckte in meinem linken Arm. |
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