Kurzgeschichten > Wahre Geschichten |
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gezeigt. Es müssen Parteibonzen unter uns gewesen sein. Ich kann mich nur erinnern, dass die Mütter und Väter, die sich vertrauten zusammenrückten. Die Zeit blieb für Sekunden stehen. Dann ging alles sehr schnell. Der Fernsehraum der Schule wurde aufgesucht. Ein Radio wurde eingeschaltet. Wir hörten Schabowskis Worte. Die Elternversammlung beendete sich selbst. Alle Eltern riss es aus dem grauen schäbigen Schulgebäude heraus und sog es nach Hause. Ich sprang auf mein Fahrrad und flog in die Schreinerstraße 22., wo ich mit meinem Sohn wohnte. In Berlin Friedrichshain. Maxim schlief. Ich rannte zu einer Telefonzelle. Wie durch ein Wunder erreichte ich Ditte, meine Cousine aus Charlottenburg in Westberlin. Sie sagte mir, Jürgen, ihr Mann, sei schon auf der Mauer- wo ich bliebe? Ich konnte kaum sprechen, schließlich sagte ich ihr, Maxim schläft- mehr nicht. Sie erwiderte mir, Janosch, ihr Sohn, auch. Ich stotterte mit trockener Kehle, ich komme sofort zu euch, wenn Maxim wach wird. Sie fragte zwar, muss er nicht zur Schule? Erwartete aber nicht ernstlich eine Antwort von mir. Wer weiß…, dachte ich, sprach meine Befürchtungen aber nicht aus. Ich konnte nicht klar denken. Es fiel mir schwer zu atmen. Mein Opa Paul meinte 1986 mit einer mir unverständlichen Seelenruhe zur Thematik der SED Diktatur, Diktaturen kommen und gehen, die Kunst aber bleibt bestehen- ein Zitat Majakowkis. Und Jürgen vertraute mir im August 1989 bei einer Besuchsreise an, Kerstin, es dauert nicht mehr lange. Ich wusste genau was er meinte, antwortete aber nicht. Ich verbat mir jeden Gedanken. Jede Hoffnung. Ich hielt den Atem an. Der Atem hielt mich an. Wir sollten uns für lange Zeit das letzte Mal in |
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