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Sag mal, hast du das geseh'n? Wie sie lachen, wie sie geh'n?
von Silvia Ittensohn >>
So begann es.
Es begann am Pudong Airport, von dort ging‘s zur Mandarin School. Ich könne den Koffer hier abstellen. „Nein. Sie müssen zuerst den Sprachtest machen.“ Dann fuhr mich ein Angestellter mit einem Schlüsselbund zur Zwei-Zimmer-Pappschachtel. Das Gefühl, schon immer hier gewohnt zu haben, schob die bleierne Müdigkeit beiseite. ChinesInnen über, unter, neben mir im fünfzehnstöckigen Block lächelten diese weg. Sie huschten vorbei, mit freundlichem Nicken. Draussen vertieften sich Senioren in Kartenspiele: heftige Gesten, qualmende Zigaretten, Pyjamas Tag und Nacht. Das Huanyíng, das „Willkommen in Shanghai!“ war nahe.
Shanghai, erst einmal eine Primadonna. Drei Tore führten zum kleinen Paradies, drei angerostete Metallschlösser für Etage, Korridor, Wohnung. Das Thermometer kletterte auf 39 Grad. Nachts sollte es auf 29 Grad sinken. Die Diva am Huangpu wollte erobert werden – heiß. „Prüfung!“, rief sie. Auspacken, das Viertel erkunden, Ess- und Trinkbares für erste Tage kaufen, das wollte ich. Die Metallschlösser nicht. Ich wehrte mich mit stundenlangem Rütteln und Rumpeln. Wasser, in der Mikrowelle erhitzt, erlaubte Denkpausen. Dann knackte es. Der Dreh war nun bekannt.
Das Aufbrechen kultureller Codes lag mir eher in diesem August 2008. Ich war eine wài rén – eine Fremde. Aber wài meint mehr: fremd, unvertraut sein. Ein Gefühl, das im Kern meine Gespräche mit chinesischen Rückkehrern und deutschsprachigen Expats traf. Kulturell geprägte Bilder von Fremd- und Vertrautheit, in Laminat eingeschweisst, eine Filmkamera und ein Frageraster standen bereit. Ein Monat würde reichen, um nebst dem Mandarinkurs an zehn Nachmittagen diese Interviews zu führen. |
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