| Kurzgeschichten > Wahre Geschichten |
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Stop! Die Nacht in Shanghai hatte sich über die Strassen gelegt. Der Fahrer zog die Bremse. Ruck. Die Ewigkeit zermalmte ein Quietschen der Räder. Seine Hand ausgestreckt, fordernd. Yuán, yuán – money, money! Ein Willkommensgruss mit Kostenfolgen. Dann Leere. Dann Wut. Ich schrie laut, beschimpfte ihn mit deutschen Schimpfwörtern. Schneidend, rau, laut. Der Fahrer wich zurück, verschwand im Dunkeln.
Hupen und laute Reifen umfingen mich wie auf einer einsamen Insel. Wie ich von dort wegkam, verliert sich in der inneren Nacht.
Mit den Tagen wurde ich selbstbewusster, erweiterte meinen Radius. Essen, Gerüche und Orte wurden vertrauter. Morgens Mandarin, nachmittags Interviews oder Streifzüge. Suppenküchen in engen Gassen wurden alltäglich. Noch unentdeckt: das Riesenkaufhaus Carrefour mit Rolltreppen wie Wunschmaschinen. Sie führten zu eingemieteten Restaurants und Läden. Eine Ministadt aus Glas, Metall und Beton. Ebenerdig breitete sich Carrefour auf Riesenflächen aus. Draußen hatte ein rasanter Autoschlitten den Handkarren eines Bauern mit ledergegerbtem Gesicht und Bambushut knapp touchiert, drinnen wühlten Hausfrauen in Fleischbergen auf freistehenden Tischen wie im Schlussverkauf. Daneben Speisen in Woks, wie sie schon in der Tang-Dynastie auf Nachtmärkten gebrutzelt hatten. Draussen wie drinnen: unterschiedliche Geschwindigkeiten und Jahrhunderte. Dazu Riesengestelle mit Hunderten von Mehlsorten, nebst Lebensmitteln aus aller Welt – und meine Müslimischung. |
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