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Europa
von Arne Arotnow >>
Europa hieß da eine Maid,
die in Phönizien einst erwuchs.
Es war vor langer, langer Zeit,
da wurd sie Opfer eines Trugs.
Sie war umringt von lauter Gold
und wohnte im Palast sogar,
doch war das Glück ihr erst nicht hold,
obwohl ihr Vater König war.
Denn plötzlich kam der bittre Tag,
an dem ihr Schicksal sich entschied.
Als schlafend sie im Bette lag,
da war’s ein Traum, der ihr’s verriet.
Er wurd vom Himmel ihr gesandt
und nie zuvor war dies geschehn.
Der Traum verwirrte ihrn Verstand
und doch war alles klar zu sehn.
Zwei Frauen kamen auf sie zu
und schrien ganz laut in einem Streit,
doch beide gaben keine Ruh
und warn zum Frieden nicht bereit.
Recht seltsam war die Form der Fraun,
die jeweils einem Erdteil glich,
doch weckten beide ihr Vertraun
und eine nannte Mutter sich.
Die hatte Asiens Gestalt,
hielt kniend sie nun fest und schrie:
»Lass ab von grausamer Gewalt,
mein holdes Kind bekommst du nie!«
Die andre war ein fremdes Weib
und auf das edle Kind erpicht.
Sie zerrte stur an seinem Leib
und blickte sanft in sein Gesicht.
Die eine rief mit großem Zorn:
»Der König hat dies Kind gezeugt;
ich selbst allein hab es geborn
und liebevoll es einst gesäugt.«
Die Fremde riss es aus ihrm Schoß.
»Ich nehm dich mit«, so sprach sie leis,
»denn so beschied es dir das Los,
denn so geschieht’s auf Zeus’ Geheiß.« |
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