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unter dem Arm schritt ich zu unserem kleinen Badezimmer. Die ganze Familie begleitete still meinen Gang von der Küche zur Nasszelle. Dann, an der Türschwelle, stoppten meine Familienangehörigen und wünschten mir alles Gute. Ich kam mir wie ein Astronaut bei seinem ersten Mondflug vor. Einsam durchschritt ich die Schwelle und verriegelte die Tür hinter mir. Der Countdown lief.
Als ich mich so im 1,78 m2 kleinen Badezimmer wiederfand, schloss ich meine Augen. Ich ließ die Höhepunkte meines bisherigen Lebens wie einen Film vorbeiziehen: meine ersten Milchzähne ... mein erster Schultag ... meine erste Velofahrt ohne Stützräder ... mein erster Schultag zu Fuß und mit abgeschlagenen Vorderzähnen ... - kurzgefasst: Eine Tragödie nach der anderen flimmerte vor mein geistiges Auge. Unzählige Misserfolge, die jeden Normalsterblichen zur depressiven Resignation und zur sozialen Ausgrenzung geführt hätten; mich aber in meinem Vorhaben bestärkt hatten, trotz meinem jungen Alter eine Lebensversicherung abzuschließen.
Ich überlegte kurz, ob andere Kulturen ähnliche oder gar schlimmere Rituale aufzuweisen hatten. Mir fiel damals nur der Kuss der Eskimos ein. Ein zugegebenermaßen hinkender Vergleich, da das gegenseitige Reiben der Nasen unmittelbar keine Probleme birgt. Ganz im Gegenteil. Bei ihren eisigen Temperaturen ist diese Prozedur sogar mehr als willkommen.
Nicht so aber bei der Nassrasur: Dort kann jeder Schnitt potenziell der letzte sein! Ich war deshalb zum Schluss gekommen, dass Rasieren etwas Unnatürliches sei. Gleichzeitig war mir aber auch bewusst, dass ich meinem Schicksal nicht entgehen konnte. Was hätte ich sonst meinen Eltern draußen erzählen sollen, wenn ich |
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