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Kurzgeschichten > Liebe
Wieder schaut sie mir direkt in die Augen und diesmal kann ich in ihrem Mahagoni-Blick noch etwas anderes als Schmerz erkennen. Eine leise Hoffnung, aber noch viel stärker eine Sehnsucht, die mich mit solcher Stärke trifft, dass ich schlucken muss. In diesem Moment weiß ich, dass sie meine Gefühle spürt. Die tiefsten Winkel meiner Seele öffnen sich ihr, ohne dass ich ihnen die Erlaubnis zum Öffnen gegeben hätte. Ich senke den Blick, aber es ist zu spät. Ich hebe meinen Kopf wieder und erwidere ihren Blick diesmal ohne Unsicherheit. Immer noch erkenne ich diese Sehnsucht in ihren Augen.
Wieder öffnen sich ihre Lippen, die immer noch seltsam weich aussehen und sie beginnt zu erzählen. Sie erzählt mir ihre Geschichte.

„Ich war acht als meine Mutter uns verließ. Es war furchtbar, aber mein Vater war für uns da. Ich vermisste die Liebe meiner Mutter. Ich vermisste es, von ihr in den Arm genommen zu werden und dabei ins Ohr geflüstert zu bekommen, dass sie mich lieb hat. Aber ich war stark, ich wusste dass der Schmerz vorübergehen würde. Ich überdeckte ihn mit Wut. Ich war wütend auf meine Mutter, dass sie uns einfach so im Stich gelassen hatte und diese Wut half mir, die Leere in meinem Inneren zu füllen. Mein Vater arbeitete hart, er tat alles, um mir und meinem Bruder das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Ich kümmerte mich um meinen kleinen Bruder. Liebe gab es bei uns nicht mehr, sie hätte uns zu stark an Mutter erinnert.“ Sie macht eine kurze Pause. Ihr Blick verliert sich wieder in der Weite und bleibt irgendwo hängen. Ich warte. Ich weiß, dass sie weitererzählen wird und verspüre keine Ungeduld.
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