Kurzgeschichten > Liebe |
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Das Schlimmste war nicht einmal, dass wir ständig um unser Leben kämpften. Das Schlimmste war, dass ich so furchtbar allein mit meinen Ängsten war. Mein Bruder vertraute mir mit seinen sechs Jahren, ihm machte es beinahe Spaß, die Leute um ein wenig Geld zu bitten, aber ich hatte niemanden mehr. Niemand war da, der verstand, wie schlecht es mir ging. Niemand, der mir zuhörte. Und dann traf ich diesen Jungen. Er war achtzehn, also sieben Jahre älter als ich und er war für mich da. Er hörte sich meine Geschichte an und ließ mich bei sich schlafen. Er wohnte mit ein paar anderen Jugendlichen in einem alten, leer stehenden Haus. Ich sehnte mich so sehr nach Liebe und Angenommensein, dass es mir egal war, dass seine Zärtlichkeiten nicht bei Umarmungen und Händchen halten aufhörten. Ich hatte zwar ein wenig Angst vor den Nächten, weil es mir weh tat, was er mit mir machte, aber ich fand, dass ich ihm das schuldig war und hielt einfach still.“
Ich schaudere bei der Vorstellung, dass diesem wunderbaren Körper Gewalt angetan worden war und rutsche unwillkürlich wieder ein kleines Stück näher zu ihr hin. Es kommt mir albern vor, aber ich habe den starken Drang, sie zu beschützen.
„Irgendwann tat es nicht mehr weh. Es fühlte sich immer noch falsch an, aber ich spürte keinen Schmerz mehr. Nur mein Inneres schrie jedes Mal vor Schmerzen auf, wenn er kam. Ich war noch nicht bereit dazu, ich war noch viel zu jung.
Ich liebte diesen Jungen auf meine eigene Weise. Er war gut zu meinem Bruder und auch gut zu mir. Vielleicht hätte er mich sogar nachts in Ruhe gelassen, wenn ich ihn darum gebeten hätte, aber ich tat es nicht. |
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