Kurzgeschichten > Liebe |
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Die Angst, wieder alleine zu sein, war größer als der Schmerz in meinem Inneren. Er gab mir und meinem Bruder zu essen, ohne etwas dafür zu verlangen. Das ging vielleicht zwei Jahre so. Ich weiß es nicht mehr genau, Zeit spielte keine Rolle in diesem Leben. Und dann kam der Tag…“ Sie bricht ihre Erzählung ab, schaut jetzt zum ersten Mal nicht in die Ferne, sondern auf ihre Knie. Sie setzt wieder zum Sprechen an „er kam zu mir…“ ihre Stimme versiegt. Ihre Schultern heben und senken sich jetzt unregelmäßig und immer schneller. Wie eine Erklärung für dieses Zucken bahnt sich eine Träne ihren Weg aus den Mahagoni-Augen und rollt über ihre Wange. Ich verspüre den Drang meine Hand zu heben und diese Träne vorsichtig wegzuwischen, merke aber gleichzeitig, dass sie das nicht wollen würde. Also bleibe ich einfach sitzen und sehe mit an, wie weitere Tränen über ihr Gesicht rollen. Sie weint stumm. Kein Laut dringt aus ihrer Kehle. Ich sitze einfach nur da und warte. Es ist mir nicht unangenehm oder peinlich, sie weinen zu sehen. Ich weiß, dass es gut ist. Wer weint, der stellt sich seinem Schmerz und lässt ihn zu. Wer weint, der will den Schmerz loswerden. Ja, es ist gut, dass sie weint.
Ich weiß nicht, wie lange wir so dasitzen bis sie wieder anfängt zu erzählen.
„Es war ein Sommertag. Er kam zu mir und sagte, ich müsste mein Geld jetzt selber verdienen, er könnte nicht mehr für mich und meinen Bruder zahlen. Ich nickte nur, dazu war ich bereit. Er nahm mich an der Schulter und führte mich durch die Stadt. Seine Berührung war schön. Es war nicht wie sonst, wenn er mich berührte. Er führte mich mit einer Hand auf meiner Schulter, es kam mir vor, als läge sie beinahe zärtlich dort. |
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