Kurzgeschichten > Liebe |
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Da hielt ich es nicht mehr aus. Sein Verschwinden tat mir weh, aber es rettete mich. Jetzt musste ich mich nicht mehr darum kümmern, dass er etwas zu essen bekam. Ich war nur noch für mich selbst verantwortlich und ich verließ…ihn. Ich schlug mich durch. Ich bettelte, ich putzte, erledigte kleine Jobs. Wenn ich gar nichts mehr hatte, verkaufte ich meinen Körper. Ich war sowieso schon kaputt.“
Hier ist ihre Geschichte zu Ende. Ich spüre, dass jetzt alles gesagt ist, ich will nur noch eine Sache wissen. „Und wie bist du dann hierhergekommen?
„Es war einer dieser Tage, an dem ich nichts zu essen hatte und mich darauf vorbereitete, einen Mann anzusprechen. Das tat ich dann schließlich auch und der Zufall wollte es, das dieser Mann Trekkingtouren für Jugendliche organisierte.“ Sie weist mit dem Kinn auf das Zelt in einiger Entfernung, in dem unser Führer schläft. „Er sagte, er bräuchte noch eine Mitarbeiterin und ihm war es egal, dass ich jung war, dass ich mein Geld verdiente, indem ich meinen Körper verkaufte und dass ich wahrscheinlich auch noch bestialisch stank.“ Aus ihrer Kehle kommt ein Laut, der vermutlich als ein Lachen zu deuten ist. Ich weiß es nicht, ich habe sie noch nie lachen hören. „Vielleicht bot er mir auch genau deshalb diesen Job an. Ich bin ihm dankbar. Ich habe meine Ruhe, muss nicht ums Überleben kämpfen und das Leben geht weiter.“ Sie zuckt mit den Schultern, wie um meinen Gedanken, dass sie dieses Leben nicht ausfüllt, zu unterstreichen. Sie ist zufrieden, aber sie ist nicht glücklich. Ich höre, wie sie tief durchatmet. Es muss ihr ganz schön weh getan haben, diese kleine Reise in die Vergangenheit zu machen, die sie so erfolgreich verdrängt hatte. |
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