Kurzgeschichten > Menschen |
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ich auch noch eine weiterführende Schule würde besuchen dürfen. Ingenieur. Das wäre mein Traum gewesen. Aber der Meister wollte mich als Arbeitskraft nicht verlieren. Er setzte alles daran, dass sie ihm erhalten blieb und ich nicht abwanderte. Ich gab klein bei und blieb mein Leben lang der bescheidene Mechaniker, dem sein Lohn hinten und vorne nicht reichte.
Wenn ich mich später an Vergangenes zu erinnern versuchte, purzelte alles wild durcheinander. Manchmal hörte ich sogar noch den rauen Bass des Bauern, bei dem ich als Verdingkind diente, spürte noch im Alter die Hiebe auf meinen Rücken, wenn er mich mit dem Ochsenziemer verprügelte. An die Stimme meiner vor kurzem verstorbenen Schwester konnte ich mich dagegen kaum mehr erinnern. Auch nicht an die Geburt meiner eigenen Kinder. Mein Gedächtnis: ein Sieb. Ein weitmaschiges Geflecht, durch das die Zeit fällt. Und mit ihr all die Geschehnisse. Da war der Winter, als wir am Christfest hungerten. Es tat mir in der Seele weh, in die Augen meiner Kinder blicken zu müssen und ihnen nicht mal zu Weihnachten die kleinen Mägen füllen zu können. Trotzdem ist bei uns keiner verhungert, auch wenn wir jahrelang Not litten. Und die Schwester meiner Frau bediente sich dreist bei uns und nahm uns mit ihrer Habgier auch noch die Kleider aus dem Schrank.
Später dann verknüpfte sich das Schicksal der Frau, die ich als junger Mann liebte, mit meinem. Wir wohnten in derselben Straße. Sie und ihr Mann lebten nur drei Häuser weiter. Die Ehe verlief nicht glücklich. Ihr Mann soff sich zu Tode. Wirklich. Der trug sein ganzes Geld in die Wirtschaft und soff sich buchstäblich zu Tode. Soff sich systematisch zu Tode. Weil auch er nicht |
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