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Blick über den Hafen.
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In Berlin suchte Gudrun Dr. Zettel auf. Ihn, den Nervenarzt, befragte sie wegen ihrer kleinen Schwester. Warum konnte das Leben nicht einfach normal sein? Frauke, sie war in letzter Zeit etwas verrückt.
Dr. Zettel war einfühlend. Nennen wir es abweichendes Verhalten, sagte er. Schildern Sie die Einzelheiten.
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Anfangs machte mir meine Schwester keine Sorgen. In meiner Wohnung hatte sie ihr eigenes Zimmer. Es war nur klein, 8 qm. In ihre eigene Wohnung zog sie mit 23. Sie nahm bald ihren Freund bei sich auf. Ich sah sie dann seltener. Einige Radtouren. Inzwischen ist Frauke verändert. Sie hat Zustände.
Meine Schwester ist ein Spätling, wissen Sie, neun Jahre jünger als ich. Heute ist sie 25. Mit ihrem Partner lief es nicht. Er tat nichts im Haushalt. Zog plötzlich aus. Nun ist meine Schwester allein. Sie läßt sich hängen. Geht nicht mehr zur Arbeit. Ich habe in der Firma angerufen. Komisch ist sie seit langer Zeit, sagen sie.
Was liegt nun konkret vor, fragte Dr. Zettel.
Sie hat Angst. Sie ist völlig fertig. Ich überlege mir, ob sie behandelt werden muß, englisch treatment, dieses energische Wort. Wissen Sie, Frauke hat einen diffusen Kummer. Die Abstände werden immer kürzer. Erst weinte sie alle zwei Monate. Dann jede Woche. Seit kurzem jeden zweiten Tag. Nun ist dieser Tick dazugekommen, die Handpflege. Meine Schwester beschäftigt sich täglich bis zu drei Stunden mit ihren Händen, ihren Fingern, ihren Nägeln. Sie putzt, feilt und macht daran herum. Das geht so weit, daß sie es sogar im Auto tut. Sowie die Ampel auf rot steht, beginnt das Fummeln und Machen an den Händen.
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Als Gudrun die Praxis des Arztes verließ, |
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